Kolumne : Da geht mir doch die Maske – Pardon – der Hut hoch…!
Fast 51.000 Menschen sind bislang – Stand 23. Januar 2021 – „an oder mit COVID 19“ gestorben. Viele hatten Vorerkrankungen, aber das ist als echter Trost ziemlich unbrauchbar. Hinter jeder Zahl stehen Angehörige, die um diesen Menschen trauern. Viele Tränen, viele verbrauchte Taschentücher. Viel Schmerz.
Doch es sterben ja nicht nur „die mit COVID“. Es wird weiterhin auch ganz „klassisch“ gestorben. Vom Ungeborenen bis zu den Hundertjährigen. Aber niemand, unabhängig von der Todesursache, wird im Moment „klassisch“ beigesetzt.
In ganz heftigen Zeiten waren nur 5 (!) Trauergäste erlaubt, in meiner Umgebung sind es momentan 25. Nicht wirklich üppig. Und natürlich müssen alle mit Mundschutz kommen und ihn auch aufbehalten, egal ob in den kärglich bestuhlten Aussegnungshallen (oder Kirchen) oder im Freien. Und sie müssen Abstand zueinander wahren, obwohl Nähe gerade jetzt doch so wichtig ist wie selten im Leben!
Sich gegenseitig in den Arm nehmen? „Es wird abgeraten“! Natürlich machen es manche doch, was nur nachvollziehbar ist. Aber alle irgendwie mit schlechtem Gewissen. Man soll sich ja corona-konform verhalten. Und das wollen die meisten ja auch – vom Verstand her. Herz und Seele brauchen aber etwas ganz Anderes!
Und nach der Trauerfeier? Kein „Leichenschmaus“, kein Gedenkessen. Nichtmal in privaten Räumen darf man sich momentan mit mehr als einer Person aus einem anderen Haushalt zusammensetzen. Kein gemeinsames Erinnern, Weinen, Lachen – es fehlt ein wichtiger Schritt in der Trauerbewältigung und der lässt sich auch nicht nachholen. Der Schmerz des unvollständigen Abschieds kann an vielen Menschen lange kleben wie Dreck am Spaten…
Die Anzahl der Trauergäste wurde einfach festgesetzt – und zwar von Gemeinde zu Gemeinde ganz unterschiedlich – oft nicht einmal von der Größe des Friedhofs abhängig. Und mal müssen die Menschen Masken tragen, mal nicht. Sogar einige Trauerrdner:innen sollen beim Reden (!) die Maske aufbehalten – von so einem Unsinn wurde ich in meiner Umgebung Gott sei Dank verschont.
Auf einem Friedhof hier muss man sogar dann Maske tragen, wenn man ihn nur betritt, auch außerhalb von Trauerfeiern. Außer an Allerheiligen haben Menschenansammlungen auf Friedhöfen aber Seltensheitswert. Wen soll ich denn bitte anstecken, wenn ich ganz allein auf dem Friedhof ein Grab pflege oder fünf Reihen weiter jemand die Begonien gießt??!
Es hat bei all diesen Entscheidungen den Anschein, als hätte niemand der Entscheider ernsthaft darüber nachgedacht, was er mit der Zahlenbegrenzung für Trauerfeiergäste für Leid erschafft. Über das wichtige Kulturgut „tröstlicher Abschied von lieben Menschen“ wird über die Köpfe der Trauernden hinweg verfügt, als handle es sich um eine Bagatelle, die mal eben durchgeregelt werden muss.
In Supermärkten dürfen sich die Kunden in den engen Gängen aneinander vorbeiquetschen. In die öffentlichen Verkehrsmittel dürfen sich alle noch setzen. Die meisten Arbeitenden müssen weiterhin in die Firma fahren, selbst wenn Homeoffice möglich wäre. Da „empfiehlt“ die Regierung, dass die Arbeitgeber „doch bitte Homeoffice einrichten mögen… wenn möglich… es wäre schön… wir appellieren…“ – aber bei Beerdigungen nur 25 Hanseln, mehr sind verboten. Auf einem Areal von oft mehreren Tausend Quadratmetern! Vielleicht bin ich dumm, aber ich kann das einfach nicht kapieren…
Ich bin keine „Corona-Leugnerin“, ich meide private Kontakte, trage Maske und halte Abstand, wo immer ich kann. Aber bei Abschiedsfeiern tut es mir, als wirklich erfahrener Trauerrednerin, die so schnell nichts umhaut, in der Seele weh, wenn ich die maskenvermummten, auf Abstand gehenden Trauernden sehe, die sich doch so gerne umarmen und trösten würden. 50, 100 oder auf großen Friedhöfen auch mehr Leute wären da doch auch kein größeres Ansteckungs-Risiko als in Supermärkten oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Und mit einer guten Beschallungsanlage vom Bestatter (haben die meisten) könnten alle sogar mit Abstand und Maske der Trauerfeier gut folgen. Die Maske geht ja nicht über die Ohren… Mit ihrem „Da-Sein“ würden die Trauergäste den Angehörigen einen unbezahlbaren Freundschaftsdienst erweisen.
Was wollte ich eigentlich am Anfang sagen..? Jetzt weiß ich wieder: Hinter jedem Trauerfall stehen rund 5 bis 10 Angehörige. Bei einer Million Verstorbenen pro Jahr in Deutschland sollten wir daher auch eine Kerze anzünden für die 5 bis 10 Millionen Angehörigen. Deren Trauer durch nicht durchdachte oder schlichtweg idiotische Konzepte für Abschiede so erschwert wird, dass es sich für sie oft so anfühlt, als würden sie mitsterben…
Diese Kerze leuchtet dann auch gleich mit für die Trauerkultur, die durch diese Maßnahmen schwer misshandelt wird. Der Tatbestand „Kulturverletzung mit Todesfolge“ ist durchaus denkbar. Hoffen wir, dass es soweit nicht kommt!